Warum das Leben ohne People Pleasing schöner ist

Wir kennen das wohl alle mehr oder weniger: manchmal tun wir anderen Gefallen, für die wir weder Zeit noch Energie übrighaben. Oder lassen uns überrumpeln, so wie Charlotte in meinem aktuellen Roman „Die Bibliothek der zweiten Chancen“. Sie akzeptiert es achselzuckend, als die Schwester ihres verstorbenen Mannes haufenweise Kisten bei ihr ablädt, um sie in den Zimmern der Töchter zwischenzulagern. Die ziehen ja sowieso aus und Nadine hätte sich schließlich jahrelang auch um Charlotte gekümmert.

Meine Leserinnen haben sich über Nadine ganz besonders aufgeregt – wahrscheinlich weil jede und jeder von uns sich gerne mal ungefragt Müll vor die Füße kippen lässt. Und auch meine Protagonistin Lisa tappt immer wieder in die People-Pleasing-Falle und verbiegt sich für ihren Verlobten Marten ganz schön.

Vielleicht hätten die beiden Protagonistinnen schneller aus der People Pleasing – Falle gefunden, wenn sie Heike Abidis Buch „Ab heute mach ich´s mir selber recht“ gelesen hätten. Zum Glück kann ich die Autorin des aktuellen Ratgebers selbst befragen.

Liebe Heike, ich kenne dich als sehr sozialen, ehrenamtlich engagierten, freundlichen und hilfsbereiten Menschen. Gehen wir direkt ans Eingemachte – warum hat People Pleasing nichts damit zu tun, einfach ein netter Mensch zu sein?

Das ist eine sehr gute Frage, liebe Daniela, und sie wurde mir auch schon öfter gestellt. Der entscheidende Unterschied liegt in der Motivation: Engagiere ich mich, weil ich mich einbringen und etwas bewegen möchte, weil mir das Thema wichtig ist oder ich einfach Lust darauf habe? Dann ist alles gut. Engagiere ich mich aber, weil ich verzweifelt nach Anerkennung suche und gemocht werden will, dann ist Vorsicht geboten. So funktioniert das Leben nämlich leider nicht. Die Mitmenschen freuen sich vielleicht mal kurz darüber, dass ihnen jemand eine lästige Aufgabe abnimmt, aber das bedeutet noch lange nicht, dass so echte Freundschaft und Zuneigung entsteht. Auch Anerkennung gibt’s höchstens beim ersten Mal – danach ist man Everybody‘s Depp vom Dienst, und alle erwarten, dass man den Job weiter übernimmt, ohne zu murren.

In meinem Roman spielt Solidarität und Hilfsbereitschaft (nicht nur) unter Frauen eine große Rolle. Wodurch zeigt sich eine Schieflage im Geben und Nehmen? Es kann ja auch nicht die Lösung sein, dass alles immer ausgeglichen ist, dann wäre es ja auch keine Hilfe, sondern eher ein Tauschhandel?

Ich glaube, wenn es da eine Schieflage gibt, stellt sich von selbst ein entsprechendes Bauchgefühl ein. Wer dann darauf hört und einmal genauer hinschaut, wird schnell merken, dass das Geben und Nehmen nicht ausgewogen ist. Natürlich kommt es immer mal vor, dass die eine Seite mehr Hilfe braucht als die andere, etwa in Krisensituationen. Aber wenn es auf Dauer so bleibt, dann stimmt was nicht. Man hat dann zwei Möglichkeiten: Entweder spricht man den oder die andere darauf an – oder man zieht sich selbst in Sachen Engagement ein bisschen zurück und wartet ab, was passiert.

Was ist denn der Antrieb, über die eigenen Grenzen zu gehen, nur um andere nicht zu enttäuschen?

Das ist der ganz natürliche Wunsch nach Liebe und Anerkennung. Wir alle wollen gemocht werden und Teil einer Gruppe sein. Der Mensch ist nun mal ein soziales Wesen, kein Einzelgänger, also ist dieser Wunsch völlig normal. Aber das sollte natürlich nicht der Hauptantrieb sein, wenn man anderen hilft. Das wäre ja irgendwie berechnend, oder? Und es funktioniert auch nicht wirklich. Wer sich für andere zum Deppen macht, wird nicht wirklich anerkannt, sondern ausgenutzt.

Gehört es eigentlich auch zum People Pleasing, zu lächeln, obwohl man sauer ist, sich Jammern in Dauerschleife anzuhören oder angebrachte Beschwerden herunterzuschlucken?

Absolut – auch das ist eine Form davon, anderen zur Verfügung zu stehen, um ihnen zu gefallen oder sich gar unentbehrlich zu machen. Dass man dabei als Seelenmülleimer fungiert, kann einem nicht gut tun. Sich zu verstellen, ist ebenfalls nicht gesund für die Beziehung – sei es eine Partnerschaft, eine Freundschaft oder eine andere zwischenmenschliche Verbindung. Denn dazu gehört es immer auch, dass man ehrliches Feedback gibt und nichts herunterschluckt, weder Ärger noch Gegenargumente.

Und woran merke ich selbst, wenn ich andere dazu bringe, bei mir People Pleasing zu betreiben? Welche Fragen sollten wir uns stellen, bevor wir andere einspannen?

Einerseits ist es natürlich superpraktisch, wenn es Menschen in unserem Umfeld gibt, die freiwillig all das erledigen, was uns lästig ist. Aber fühlt sich das wirklich zu hundert Prozent angenehm an? Ich finde nicht. Im Gegenteil, auch in solchen Fällen hat man oft ein Störgefühl und merkt instinktiv, dass das Geben und Nehmen in Schieflage ist. Auch wenn das Gegenüber übertriebene Komplimente macht oder immer wieder an die Gefallen erinnert, um Dank und Lob einzufordern, ist das alles andere als angenehm. Im Grunde ist People Pleasing ja eine Form der Manipulation – Hilfsbereit sein, um anerkannt und gemocht zu werden. Deshalb stellt sich hier dieselbe Frage wie beim eigenen Engagement: Was ist die Motivation?

Gleichzeitig fallen mir einige wunderbare Menschen ein, die sich hundertmal überlegen, ob sie um Hilfe bitten, um bloß niemandem zur Last zu fallen. Wie können diese sich eine Scheibe von den allzu Fordernden abschneiden?

Keine Hilfe annehmen zu wollen, kann auch die Kehrseite von People Pleasing sein. Denn dahinter steckt ja oft eine tiefe Unsicherheit. Wer an sich selbst zweifelt, braucht Bestätigung von außen. Wer an sich selbst zweifelt, wird aber auch niemanden um etwas bitten, um keine Ablehnung zu erfahren. Auch in solchen Fällen ist das Geben und Nehmen nicht ausgewogen. Man sollte sich bewusst machen, dass Menschen, die einen mögen, wirklich gern helfen wollen, wenn es nötig ist. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke, darum zu bitten und die Unterstützung auch annehmen zu können.

Der offenkundige Nachteil von zu viel People Pleasing ist ja zu wenig Zeit und Energie für die eigenen Belange. Aber erzähle doch mal, was das auf einer tieferen Ebene mit uns macht, wenn wir anderen immer gefallen wollen?

Es ist nicht nur die fehlende Zeit und Energie für eigene Belange, sondern die Tatsache, dass man sich selbst dabei völlig vergisst und letztendlich auch verliert. Wenn man versucht, es allen recht zu machen, muss man zwangsläufig scheitern – und die Person, der man es dabei am wenigsten recht macht, ist man selbst. Das ist People Pleasern vielleicht gar nicht bewusst. Vielleicht glauben sie auch, das wäre schon in Ordnung so. Dahinter stecken häufig Glaubenssätze, die man von Kindheit an immer wieder gehört und so sehr verinnerlicht hat, dass man gar nicht mehr daran zweifelt. Zum Beispiel: „Du kannst das nicht“, „Du bist nichts wert“, „Du darfst niemanden enttäuschen“ oder „Nimm dich nicht so wichtig“. Auf einer tiefen Ebene sollte man also erst einmal anfangen, diese negativen Glaubenssätze durch positive zu ersetzen und vor allem sich selbst wichtig zu nehmen. Ob man das dann gesunden Egoismus nennt oder Selbstfürsorge, spielt keine Rolle. Hauptsache, man richtet den Fokus auch mal nach innen, statt immer nur auf Bestätigung von außen zu hoffen.

Dein Sachbuch liest sich wie ein unterhaltsamer Roman – und das Verhalten der Personen darin ist manchmal wie ein Spiegel. Bei anderen sehen wir ja viel schneller, was schiefläuft. Gibt es diese Menschen wirklich? Beziehungsweise, wie hast du Beobachtungen, Erfahrungen und Menschen künstlerisch verarbeitet, um nicht in das Gegenteil von Gefallsucht zu verfallen?

Viele der beschriebenen Personen gibt es ganz exakt so, aber natürlich habe ich sie in der Beschreibung etwas verfremdet, um sie und ihr Umfeld zu schützen. Meist habe ich ihnen einen anderen Namen gegeben, manchmal auch einen anderen Beruf oder ich habe andere Details verändert. Manchmal habe ich auch mehrere Personen, die Ähnliches erlebt haben, zu einer zusammengefasst. Damit wollte ich Wiederholungen vermeiden und die Menge der Namen reduzieren. Letztendlich geht es ja um das Thema, nicht um die Geschichten – denn diese helfen ja nur dabei, es zu verdeutlichen.

Und liebe Heike, so ein Schreibprozess ist ja auch immer ein gewaltiger seelischer Prozess. Bei jedem Buch tauchen wir tief in ein Thema ein (gerade auch dann, wenn der Text nach außen leicht und locker wirkt), beleuchten auch uns noch mal ganz anders. Was hast du aus dieser Schreibreise für dich mitgenommen? Gab es besondere Erkenntnisse für dich?

Im Grunde habe ich erkannt, was ich schon immer vermutet habe: Nämlich dass ich keine People Pleaserin bin und auch nicht dazu neige, People Pleaser auszunutzen. Beides fühlt sich für mich nicht gut an. Aber ich bin sehr für Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und soziales Engagement, wenn es aus den richtigen Gründen passiert. Was mich daher in den Interviews und auch später bei Gesprächen über das Buch sehr überrascht hat, dass das Thema so viele betrifft. Wenn ich mit dem Buch erreichen kann, dass einige von ihnen ihr Verhalten überdenken, an sich arbeiten und netter zu sich selbst sind, freut mich das sehr.

Und was sind die ersten Schritte dahin, sich selbst genauso wichtig zu nehmen wie andere und People Pleasing hinter sich zu lassen?

Für People Pleaser ist es nicht so einfach, ihr bisheriges Verhalten völlig auf den Kopf zu stellen und auf einmal „egoistisch“ zu handeln – auch wenn es sich dabei um reine Selbstfürsorge handelt. Ein Anfang wäre es vielleicht schon, sich selbst gegenüber genauso nett, hilfsbereit und unterstützend zu sein wie im Umgang mit anderen. Das fängt schon damit an, wie man über sich selbst denkt oder sogar laut spricht. „Ich bin so doof“ oder „Ich blöde Kuh“ sind leider keine Ausnahme. Das würde man zu niemand sonst sagen. Eigentlich erstaunlich, oder? Und im nächsten Step gilt es dann, die negativen Glaubenssätze, die man mit sich herumschleppt, zu analysieren und durch positive zu ersetzen. „Ich kann das“, „Ich bin es wert“, „Ich darf das“. Manchmal schafft man das nicht allein – in solchen Fällen kann ein Coaching oder eine Therapie hilfreich sein.

Heike Abidi lebt zusammen mit ihrer Familie in der Pfalz bei Kaiserslautern. Sie arbeitet als Werbetexterin und Autorin von Unterhaltungsromanen, unterhaltenden Sachbüchern sowie Jugend- und Kinderbüchern.

Du erkennst dich auf der einen oder anderen Seite wieder und möchtest Strategien entwickeln, um aus der People-Pleasing-Falle herauszufinden?

Dann empfehle ich dir Heike Abidis Buch „Ab heute mach ich‘s mir selber recht“ Und hast du Lust, ganz entspannt anderen dabei zuzuschauen, wie sie sich aus der People-Pleasing-Falle befreien? Kannst du in meinem aktuellen Roman „Die Bibliothek der zweiten Chancen“. (Link).

Und wenn du gerne noch tiefer in das Thema eintauchen möchtest, Heike und ich sprechen auch in meinem Podcast „Bring dein Herzensthema in die Welt“ über ihr Buch und die Gefallsucht.

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