Liebesromane – leichte Kost oder das wichtigste Genre der Welt?

Warum ist die Liebe zwar der Motor unzähliger Geschichten und Romane, wird aber doch oft verschleiert, weil man sich ihrer schämt? (Mir fällt es auch oft schwer, auszusprechen, dass meine Romane Liebesromane sind.) Eine mögliche Antwort: die Angst vor dem Genre-Stempel „Kitsch“ oder „Trivialliteratur“. Um mit Vorurteilen aufzuräumen, spreche ich mit Rena Fischer, Präsidentin des Verbands, bei dem sich alles um Liebesromane dreht, und ergründen, wie gute Liebesgeschichten wirklich funktionieren.

Liebe Rena, als Präsidentin von DELIA setzt du dich bestimmt auch mit einigen Vorurteilen auseinander Was würdest du entgegnen, wenn jemand sagt, Liebesromane seien gesellschaftlich irrelevant?
Das Gegenteil ist der Fall. Sie machen einen Mangel in unserer Welt sichtbar, den wir hinter all den Konflikten und tiefgreifenden Umbrüchen in unserer Gesellschaft spüren und über den wir viel zu wenig sprechen: die Liebe.
Wir fürchten um die Demokratie, fühlen uns von künstlicher Intelligenz und Klimawandel bedroht und fliehen vor unseren Ängsten in Zynismus, Selbstoptimierung und Konsum. Die Literaturwissenschaftlerin Bell Hooks hat das so auf den Punkt gebracht: „We may not have enough love but we can always shop.“
Der Liebesroman rückt dagegen Liebe, Vertrauen, Fürsorge und Verantwortung für unser Tun ins Zentrum. Er erinnert uns daran, dass es Menschlichkeit und Alternativen zu rücksichtslosem Wettbewerb und Selbstoptimierung gibt.

Wie stehst du zu dem Vorurteil, Liebesromane seien kitschig und weltfremd?
Ist es nicht eher weltfremd, wenn wir in Filmen, Serien und beim Gaming Gewaltbildern ausgesetzt werden, in denen Menschen zu anonymen Zielscheiben werden? Wenn Held X sich rücksichtslos gegen seine Widersacher durchsetzt oder Gewalt gegen Frauen in Subgenres mit problematischem Machtgefälle romantisiert wird? Viele heutige Erfolgsnarrative funktionieren durch eine Ethik der Dominanz, und auf der anderen Seite regieren in den sozialen Medien Filter statt Falten, ist Posieren vor der Kamera angesagt, statt Persönlichkeit zu zeigen. Diese Bilder sind doch die eigentliche Unwahrheit in unserer Gesellschaft.

 Der Liebesroman kann uns lehren, wieder echte Gefühle zuzulassen

Ein guter Liebesroman dekonstruiert sie, weil er zeigt, dass Liebe und eine gute Beziehung zu unserem Partner und Mitmenschen reflektiertes Handeln, Arbeit, Scheitern, aber auch Neuanfang bedeuten. Reparieren statt Wegwerfen. Wahrheit statt Lüge und Schein. Wer liebt, muss sich nicht hinter Filtern verstecken. Der Liebesroman kann uns lehren, wieder echte Gefühle zuzulassen, auch auf die Gefahr hin, verletzt zu werden. Er feiert Partnerschaft statt Dominanz, Zuhören statt Überzeugen, er ist literarische Seelennahrung im Junk-Food-Zeitalter von Zynismus und Empathiemangel.

Was macht einen Roman zu einem Liebesroman? Eine Beziehungsgeschichte, die im Mittelpunkt steht? Oder reicht jede Form von Liebe?
Ein Roman ist für mich dann ein Liebesroman, wenn Liebe die entscheidende Kraft für die dramatischen Entscheidungen ist und damit den Plot vorantreibt. Das bedeutet aber nicht, dass es sich dabei ausschließlich um die „romantische Liebe“ handeln muss. Ein zeitgemäßer Liebesroman beschränkt sich nicht nur auf ein klassisches Liebespaar, sondern zeigt Liebe in verschiedenen Facetten und ganze Beziehungsnetzwerke. Enge Bindungen zu Familie und Freunden, selbstgewählte Familien und auch Selbstliebe und -fürsorge. Figuren werden verletzt, verhandeln Grenzen und finden eine neue Art des Miteinanders. Der moderne Liebesroman ist für mich eine Geschichte, die der Frage nachgeht, wie wir einander in all diesen vielfältigen Beziehungen liebevoll und respektvoll begegnen können.

Warum wurde DELIA gegründet?
Unser Ziel ist es, uns für unser Genre stark zu machen, die gesellschaftliche Bedeutung des Liebesromans hervorzuheben und unseren schreibenden Mitgliedern den Rücken zu stärken, wenn sie Vorwürfen von Kitsch oder angeblicher Bedeutungslosigkeit ihrer Arbeit ausgesetzt werden. Denn der Liebesroman ist weltweit das umsatzstärkste Belletristik-Genre, er ist kein weltfremder Eskapismus, sondern erinnert uns daran, dass gute Beziehungen das Fundament einer Gesellschaft und der Demokratie ausmachen. Wir haben einen eigenen Stand auf der Leipziger Buchmesse und auf verschiedenen regionalen Buchmessen und vergeben einmal im Jahr die renommierten DELIA-Literaturpreise – Gütesiegel für anspruchsvolle Liebesroman- und Unterhaltungsliteratur für Erwachsene und junge Leserinnen und Leser.

Vielen Dank für den inspirierenden Einblick in das, was Liebesromane und -geschichten wirklich ausmacht. Und danke dir und allen im Vorstand für eure tolle Arbeit. DELIA ist auch für mich als Autorin ein großer Gewinn, am allermeisten durch den wertschätzenden Austausch. 

Mehr Infos zur Autorin:
Rena Fischer studierte Wirtschaftswissenschaften und arbeitete als Unternehmensberaterin einige Zeit im europäischen Ausland, bevor sie sich ganz dem Schreiben von gefühlvollen und spannungsreichen zeitgenössischen Romanen und Familiensagas (unter ihrem Pseudonym Theresa Kern) widmete. Besonders liebt sie in Vergessenheit geratene Themen der Geschichte. Heute lebt sie mit ihrer Familie und ihrem Hund in Süddeutschland.

So können Autor:innen Mitglied bei DELIA werden:
Um Mitglied bei DELIA zu werden, sollten Autorinnen und Autoren mindestens eine bereits erschienene Veröffentlichung in einem Verlag (kein Zuschussverlag) oder drei Veröffentlichungen im Selfpublishing vorweisen können, die zu DELIA passen. Außerdem gibt es die Möglichkeit der Fördermitgliedschaft, die Sie bereits eingehen können, bevor Ihr erster Liebesroman erscheint, oder wenn Sie unser Genre und unsere Arbeit unterstützen möchten, weil Sie selbst gerne Liebesromane lesen.

Genaueres zu den Anforderungen und Anmeldeunterlagen gibt es auf der Website www.delia-online.de.

Das Interview ist zuerst hier erschienen: Schule des Scheibens: Autorenmagazin treffpunkt 02 2025

P.S. Und hier kannst du auch nach meinen Liebesromanen schauen 🙂

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